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Hellas aus der Luft

Griechenland ist ein Land mit vielen Verkehrsflughäfen – 37 insgesamt, 25 davon auf den Inseln. Fast alle von ihnen sind bestens mit Athen und zumindest im Sommer auch mit Thessaloniki verbunden, doch Querverbindungen zwischen Provinz- und Inselflughäfen gibt es kaum. Staatliche Subventionen ermöglichen einige wenige Inselhüpf-Strecken. Auf eigenes Risiko sorgt jetzt die neue Airline Fly Cycladic für weitere Verbindungen zwischen den Kykladen, Kreta und Rhodos.

  

Wir haben Ende Juli 2023 einen Testflug mit Fly Cycladic von Iraklio auf Kreta aus gebucht.

Für 10 Uhr ist der Start unserer einmotorigen Propellermaschine vom Typ Cessna-208 geplant. Mit einer Zwischenlandung auf Paros soll es nach Syros gehen. Wir teilen uns den Check-In-Schalter mit den Passagieren eines nach Prag abhebenden Airbus, dürfen aber an dessen 160 Passagieren vorbei direkt nach vorn gehen und unsere Boarding Cards in Empfang nehmen. „Ihr seid die einzigen Passagiere heute“, sagt die Dame am Counter. „Kommt zu Gate 10, ich bringe euch dann zum Vorfeld-Bus. Aber denkt dran: Im Flieger gibt es keine Toilette und keinen Service!“

 

Auch bei der Sicherheitskontrolle dürfen wir dann die lange Schlange umgehen, die Fast Security Lane nutzen. Danach setzen wir uns an eins der großen Fenster, von dem wir den ganzen Flughafen überblicken und weit auf die Ägäis hinausschauen können. 9331 Flugzeuge sind hier im Juli 2023 gelandet, die meisten davon aus Athen und Tel Aviv. Fast alle Maschinen waren große Jets mit 150 und mehr Sitzplätzen. Die Cessna, auf die wir warten, bietet gerade einmal elf Passagieren Platz, hat wie ihre großen Schwestern aber auch zwei Berufspiloten im Cockpit.

 

Im Internet verfolgen wir über die flightradar-App den Weg unseres Fliegers. Er ist morgens (ohne Passagiere) in Athen gestartet und direkt nach Paros geflogen. Von dort hat er einen einzigen Passagier nach Milos gebracht und ist jetzt wieder ohne Passagiere auf dem Flug nach Iraklio, um uns beide abzuholen.

 

Pünktlicher Start

 

Kurz nach 9:30 Uhr kommt die Dame vom Check-In und leitet uns wieder einmal an einer langen Warteschlange vorbei zum Ausgang, vor dem schon ein großer Bus auf uns beide wartet. Er bringt uns zur Maschine. Da begrüßen uns der Flugkapitän und sein Erster Offizier mit Handschlag vor dem Flieger. „Drinnen ist es zu heiß“, erklärt der uns, „darum gebe ich euch die obligatorischen Sicherheitshinweise schon mal hier draußen!“ Dann steigen wir durch die Hecktür ein und setzen uns auf die Plätze direkt hinter den Piloten. Wie sie haben wir hier alle Instrumente im Blick. 

 

Pünktlich um 10 Uhr lässt der Captain den Motor an, der sich als erfreulich leise entpuppt. Hinter drei großen Ferienfliegern her rollt unser Winzling zum Start. Schon nach 800 m heben wir ab und fliegen in einer Rechtskurve hinaus aufs Meer. Als der Höhenmesser 5600 Fuß anzeigt, haben wir unsere Reiseflughöhe von 1800 m erreicht. Der Co-Pilot dreht sich nach uns um, fragt, ob alles okay ist. Und informiert uns: „Die Zwischenlandung auf Paros schenken wir uns heute. Da wartet kein Passagier auf uns.“

 

Wir genießen den Flug und fühlen uns absolut sicher. Seit 1982 wurden 3000 Maschinen dieses Typs in den USA gebaut. Sie fliegt 333 km/h schnell, hat eine Reichweite von über 1600 km. Ihren heutigen Törn von Athen und wieder dorthin zurück wird unsere Cessna also mit weniger als einer Tankfüllung schaffen. Fly Cycladic besitzt drei davon, hat also bei den Passagierzahlen noch viel Luft nach oben. In diesem Jahr fliegt die Airline zwischen Syros, Naxos, Paros, Astypalea, Iraklio und Milos – für nächstes Jahr sind auch die Aufnahme von Mykonos und Santorin ins Routennetz geplant. Weil Fly Cycladic ein Tochterunternehmen der drittgrößten griechischen Airline iFly ist, die bisher jedoch keine Linienflüge anbot, ist zu hoffen, dass ihr auf dem Weg ans angestrebte Ziel nicht mangels Nachfrage die Luft ausgeht…

 

Wir freuen uns aber jetzt ganz einfach, die Kykladen von oben zu genießen. Santorin, Anafi, Ios und Sikinos lassen wir rechts liegen, überfliegen dann einen Zipfel von Folegandros. Links sind nun bereits Milos und Kimolos, etwa später dann auch Sifnos und Serifos deutlich zu sehen. Wer alle Inseln kennt, erinnert sich an die Namen der meisten Dörfer und sogar an so manche Taverne samt Namen ihrer Wirte…

 

Kurz nach dem Passieren von Antiparos geht die Maschine in den Sinkflug über, die 1010 m lange Piste von Syros ist bereits als Strich in der Landschaft vage zu erkennen. Nach insgesamt 40 Minuten reiner Flugzeit setzen wir ganz sanft auf und rollen aufs Vorfeld. Der Captain öffnet die Tür, begrüßt den Flughafenmitarbeiter mit Vornamen und dreht sich dann noch einmal nach uns um, um uns einen Tavernentipp für die Zeit des Sonnenuntergangs zu geben. Wir gehen die paar Schritte ins kleine Terminal und lassen uns ein Taxi kommen. Während wir warten, landen noch zwei gecharterte Hubschrauber. Sie bringen zwei US-griechische Familien vom Athener Flughafen her, die sich auf Syros Ferienvillen gemietet haben. Für zwei Personen kostet solch ein Hubschrauber-Transfer ab etwa 1250 Euro/Person. Wir haben für unseren 40-Minuten-Flug zwar auch viel, aber durchaus weniger als für einen Hubschrauber bezahlt: Mein erwachsener Sohn, der ein Sonderangebot erwischte, zahlte 180 Euro, ich den vollen Preis von 330 Euro.

 

Subventionierte Alternativen

Weitaus preiswerter als mit Fly Cycladic ist das Inselhüpfen auf staatlich subventionierten Routen. Gerade jetzt im August 2023 hat der Staat den Fluggesellschaften Olympic Air und Sky Express wieder fast 32 Mio. Euro über die nächsten vier Jahre für den Betrieb von sechs solcher Routen zugesichert. Olympic wird die Strecken von Rhodos nach Kastellorizo und von Rhodos über Karpathos und Kassos nach Sitia auf Kreta ganzjährig bedienen. Sky Express hüpft noch mehr: Von Rhodos über Kos, Kalymnos und Leros nach Astypalea sowie von Rhodos über Samos, Chios und Lesbos nach Limnos. Im Ionischem Meer fliegt Sky Express subventioniert die Strecke von Korfu über Preveza und Kefallonia nach Zakinthos sowie auf der Festlandsroute von Athen über Kozani nach Kastoria. Für Urlauber sind diese Verbindungen übrigens die allerbeste Möglichkeit, preiswert viel Hellas von oben zu sehen. Die Preise sind gedeckelt, liegen im Winterhalbjahr weitaus niedriger als im Sommer. So zahlt man für den Flug von Rhodos mit zwei Zwischenlandungen nach Sitia im Winter nur 41 Euro. Der Flug von Rhodos nach Korfu mit zwei Zwischenlandungen ist im September 2023 für knapp 96 Euro zu haben.

 

Für und Wider

Griechenlands Reeder fürchten den zunehmenden interinsularen Flugverkehr nicht. Allein Syros verzeichnete Ende Juli dieses Jahres 83 Fähranläufe pro Woche. Viele der großen Fähren spülten auch Unmengen von Touristenautos an Land.  Die allein sind wohl schon sehr viel umweltschädlicher als die wenigen Flüge pro Tag mit kleinen Maschinen. In Griechenland wendet sich auch kaum jemand gegen mehr Inlandsflüge – nur einige Ausländer stören sich daran. Dabei bringen diese Inselhüpfer-Flüge vielen Inselbewohnern mehr Sicherheit und eine höhere Lebensqualität. Die Bewohner der kleineren Inseln können Termine bei Gerichten, Fachärzten oder Anwälten auf den jeweiligen Hauptinseln ihres Archipels effizienter in Anspruch nehmen, Handwerker können im Idealfall morgens zur Auftragserledigung auf einen Inselzwerg fliegen und abends wieder zurück. Mitarbeiter der  Ägäischen und der Ionischen Universität kommen besser zu den ja über mehrere Inseln verstreuten Standorten – und die vielen den ganzen Sommer über im Tourismus Tätigen können im Winter einmal preiswert einen Kurzurlaub auf einer der Nachbarinseln machen, von denen ihnen Urlauber immer erzählt haben.

 

INFOS:

www.flycycladic.com

www.olympicair.com

www.skyexpress.gr

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